Die Präsidenten Russlands und der Türkei treffen ihren iranischen Kollegen Raisi. Gesprächsthemen haben sie genug – ebenso wie Meinungsverschiedenheiten. THOMAS SEIBERT
Der russische Präsident, der iranische Hardliner und der Chef des Nato-Staates Türkei an einem Tisch: In der iranischen Hauptstadt Teheran findet ein ungewöhnlicher Dreier-Gipfel statt. Bereits am Montagabend trafen Wladimir Putin und Recep Tayyip Erdogan am Hauptstadtflughafen Mehrabad ein, ehe dann für diesen Dienstag in der Palastanlage Saadabad Gespräche mit Irans Präsident Ebrahim Raisi geplant sind.
Alle drei wollen bei ihrer Begegnung und in Einzeltreffen am Rande des Gipfels über den Ukraine-Krieg und den Syrien-Konflikt sprechen.
Ihre Länder verfolgen teilweise gegensätzliche Interessen – gemeinsam ist den drei aber ihr Misstrauen gegenüber dem Westen. Ein Überblick.https://compass.pressekompass.net/compasses/tagesspiegel/frage-des-tages-braucht-das-9euroticket-
Putin und Erdogan arbeiten seit Jahren eng zusammen und sind Mitbegründer der russisch-türkisch-iranischen Gipfeltreffen im so genannten Astana-Format, die in Teheran ihre siebte Auflage erleben.
Der Gipfel folgt direkt auf Bidens Nahost-Reise
Die beiden Präsidenten haben im Laufe der Zeit ein Vertrauensverhältnis entwickelt, das es ihnen erlaubt, auch schwere Meinungsverschiedenheiten zu überwinden. Neu im Trio ist der im vergangenen Jahr ins Amt gekommene Raisi.
Putin verlässt zum ersten Mal seit Beginn des Ukraine-Krieges das Gebiet der früheren Sowjetunion; im Juni hatte er bei seiner ersten Auslandsreise seit Februar an einem regionalen Treffen in Turkmenistan teilgenommen und dabei auch Raisi getroffen.
Für den russischen Staatschef geht es in Teheran darum, die internationale Isolation Russlands zu durchbrechen und seinen Einfluss im Nahen Osten zu sichern. Das Treffen von Teheran findet wenige Tage nach der Nahost-Reise von US-Präsident Joe Biden statt, der das amerikanische Bündnis mit Saudi-Arabien – einem Rivalen Irans – stärken wollte.
Ankara liefert Dohnen an Kiew
Nun hält der Kreml dagegen. Im Ukraine-Krieg stehen Putins Gesprächspartner allerdings nicht auf russischer Seite. Die Türkei hat den russischen Angriff kritisiert und liefert Kampfdrohnen an die Ukraine, wenn sie sich auch nicht an den westlichen Sanktionen gegen Moskau beteiligt. Der Iran hält sich aus dem Konflikt in der Ukraine bisher heraus.
Nach US-Angaben bemüht sich Russland um iranische Kampfdrohnen für den Einsatz in der Ukraine. Der Iran dementiert offiziell, dass ein solches Geschäft geplant ist, betont aber seine Zusammenarbeit mit Russland. Möglicherweise kommt das Thema zur Sprache, wenn sich Putin mit Raisi am Rande des Gipfels zu einem Einzeltreffen zusammensetzt.
Erdogan will über Getreidelieferungen sprechen
Auch Erdogan, der erste Präsident eines Nato-Staates, der Putin seit Kriegsausbruch persönlich trifft, plant ein Einzelgespräch mit dem Kremlchef. Erdogan will über Getreidelieferungen aus dem Schwarzmeer-Raum an die Weltmärkte sprechen.
Bei einem Treffen in Istanbul vorige Woche hatten sich Umrisse einer Einigung zwischen Russland, der Ukraine, der Türkei und der UNO abgezeichnet. Danach sollen Minen vor der ukrainischen Küste geräumt werden, um Getreidefrachter durchzulassen. Die Schiffe sollen kontrolliert werden, weil Russland befürchtet, dass sie Waffen für die Ukraine transportieren könnten.
Unterschiedliche Interessen in Syrien
Im syrischen Bürgerkrieg vertreten die Teilnehmer des Gipfels ebenfalls unterschiedliche Interessen. Russland und der Iran unterstützen den syrischen Staatschef Baschar al-Assad, während die Türkei auf der Seite der Assad-Gegner steht. Erdogan hofft in Teheran auf grünes Licht der beiden anderen Staaten für eine neue türkische Militärintervention im Norden Syriens. Dort will die türkische Armee die kurdische Miliz YPG aus dem Grenzgebiet vertreiben.
Moskau und Teheran, die Truppen in Syrien stationiert haben, lehnen den türkischen Plan bisher ab. Zwar könnte die Türkei auch ohne Putins Zustimmung einmarschieren. Allerdings könnte sie dann den von Russland kontrollierten Luftraum in den Zielgebieten westlich des Euphrat nicht nutzen, was den Vormarsch behindern würde.
Auch die Lage in der letzten Rebellenbastion Idlib an der Grenze zur Türkei dürfte in Teheran angesprochen werden. Die Türkei befürchtet einen neuen Ansturm von Flüchtlingen aus Idlib, falls Assads Regierungstruppen mit russischer Unterstützung eine neue Offensive auf die Provinz starten sollten.
Mit ihren Dreier-Treffen wollen Russland, der Iran und die Türkei ihre Interessen in Syrien trotz ihrer tiefgreifenden Differenzen und des gegenseitigen Misstrauens wahren. Obwohl Russland und der Iran mit Assad verbündet sind, will Moskau einen großen Einflussgewinn der Iraner in Syrien verhindern und erlaubt Israel immer wieder Luftangriffe auf iranische Stellungen in dem Bürgerkriegsland.
Erdogan warf dem Iran in den vergangenen Jahren vor, den ganzen Nahen Osten dominieren zu wollen. Russland und die Türkei warnen den Iran zudem davor, eine Atombombe zu bauen.
Auffälliger Frachtverkehr beobachtetLiefert der Iran bald Drohnen nach Russland?Daniel Krause
Trotz aller Meinungsverschiedenheiten streben die drei Staatschefs einen Ausbau der Handelsbeziehungen zwischen ihren Ländern an. Die drei Länder sind – im unterschiedlichen Maß – mit westlichen Sanktionen belegt und suchen verstärkt nicht-westliche Partner. In einigen Bereichen sind die Gipfelteilnehmer wirtschaftliche Rivalen: So konkurrieren die Ölexporteure Russland und Iran um Kunden wie China.
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