von Julian Heißler

17. August 2022

US-Präsident Joe Biden Quelle: imago images

US-Präsident Joe Biden bei der Unterzeichnung des Inflation Reduction ActsBild:  imago images

Die Geldentwertung ist US-Präsident Joe Bidens größtes politisches Problem. Mit dem Inflation Reduction Act soll die Inflation nun bekämpft werden. Wie erfolgreich das neue Gesetz sein wird, bleibt jedoch fraglich.

Joe Biden war bester Laune, als er am Dienstagnachmittag den State Dining Room des Weißen Hauses betrat. Hinter ihm lagen einige Tage Familienurlaub auf Kiawah Island vor der Küste von South Carolina, vor ihm die Unterschrift des bislang wohl weitreichendsten Gesetzes seiner bisherigen Amtszeit. Nach Monaten, in denen die legislative Agenda des Präsidenten im Kongress festgesteckt hatte, gelang es den Demokraten in den vergangenen Wochen ein umfangreiches Paket im Senat und im Repräsentantenhaus zu verabschieden, das einen ganzen Schwung von Wahlversprechen erfüllt, die Biden ins Weiße Haus getragen hatten. Auch der Titel des Gesetzes war darauf ausgelegt, die Stimmung des Präsidenten – und womöglich sein ausbaufähiges Ansehen in der US-Bevölkerung – wieder zu verbessern: Inflation Reduction Act.

Denn die Geldentwertung bleibt das größte politische Problem für Biden. Knapp drei Monate vor den Zwischenwahlen im November haben sich die Preisanstiege zwar verlangsamt, doch im Jahresvergleich ist die Inflation immer noch höchst unangenehm hoch. Im Juli lag sie bei 8,5 Prozent – etwas weniger als die mehr als neun Prozent, die noch einen Monat zuvor gemessen wurden, aber viel zu viel, um einen Sieg zu verkünden.

Da kam der Inflation Reduction Act gerade richtig. Das Gesetz sieht unter anderem milliardenschwere Steueranreize für den Ausbau erneuerbarer Energiequellen vor, verhängt eine Mindeststeuer von 15 Prozent für Konzerne, die mehr als eine Milliarde Dollar Gewinn machen, senkt die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente und stellt neue Finanzbeamte ein, die reichen Steuerhinterziehern auf die Schliche kommen sollen. All diese Maßnahmen sind beliebt, die Unterstützung für das Gesetz ist hoch. Einziges Problem: Mit der Inflationsbekämpfung hat es sehr wenig zu tun.

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So schätzt etwa das überparteiliche Congressional Budget Office, dass der Inflation Reduction Act die Inflationsrate in den nächsten zwei Jahren um weniger als ein Zehntelprozent verändern wird – in welche Richtung ist ebenfalls unklar. Und das Penn-Wharton-Budgetmodell der University of Pennsylvania kommt zu dem Schluss, dass „die Auswirkungen auf die Inflation in den nächsten zehn Jahren statistisch gesehen nicht von Null zu unterscheiden sind“.

Das Weiße Haus wiederum will von solchen Analysen nichts hören und verweist darauf, dass das Haushaltsdefizit durch einige Maßnahmen um rund 300 Milliarden Dollar über die nächsten zehn Jahre sinken werde. Dies würde einen „negativen Druck auf die Inflation“ ausüben, heißt es in der Regierungszentrale. Ein offener Brief von 120 Ökonomen – unter ihnen Nobelpreisträger und ehemalige Finanzminister – lobt das schrumpfende Haushaltsloch ebenfalls. Allerdings: Allein im vergangenen Jahr hatte das Defizit bei 2,8 Billionen Dollar gelegen. 300 Milliarden Dollar über zehn Jahre sind nur bedingt geeignet, ein Loch von dieser Größe zu stopfen.

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Der US-Bevölkerung ist die Diskrepanz zwischen Namen und Inhalt des Gesetzes durchaus bewusst. Eine Mehrheit bezweifelt, dass der Inflation Reduction Act einen spürbaren Einfluss auf die Teuerungsrate haben wird. Doch unbestritten ist, dass das Gesetz der Bevölkerung Geld sparen wird. Preiswertere verschreibungspflichtige Medikamente für Senioren und niedrigere Energiekosten dürfte es tatsächlich bringen, glauben Analysten. Jedenfalls mittelfristig. Einige der Maßnahmen im Inflation Reduction Act treten erst 2025 in Kraft – nach der nächsten Präsidentschaftswahl.

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Julian Heißler

Julian Heißler

Korrespondent (Washington)

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