Was ist schief gelaufen? Woran krankt diese Europäische Union? Wie konnte aus dem Friedens- und Hoffnungsprojekt eine Gemeinschaft werden, die einen Teil der europäischen Bevölkerung abstößt? Die Staaten Europas werden diese Fragen erörtern müssen, wenn sie verhindern wollen, dass die EU zerbricht. Währenddessen setzen die Gegner der Gemeinschaft auf weitere Austritte.

Von Ursula Welter und Katrin Michaelsen | 24.06.2016

Blick über die Themse auf den Canary Wharf, den Londoner Finanzdistrikt.
Europa steht vor einer Zäsur: Großbritannien will aus der EU austreten. (AFP / Leon Neal)

So hörte sich „Europa“ vor 70 Jahren an.
„Wenn Europa eines Tages vereint ist, sein gemeinsames Erbe antritt, werden Glück, Wohlstand und Ruhm für drei bis vierhundert Millionen Menschen keine Grenzen kennen.“

1946 setzte der Brite Winston Churchill seine Hoffnungen auf Europa. Churchill sprach im Angesicht der Trümmer, die der Zweite Weltkrieg hinterlassen hatte.
Was folgte, war der Wille der Gegner von einst, sich in einem „Friedensprojekt Europa“ zusammenzuschließen: Römische Verträge, Europäische Wirtschaftsgemeinschaft, Binnenmarkt, Währungsunion, Erweiterung der Staatengemeinschaft nach Norden, Süden, Osten. Integrationsschritt folgte auf Integrationsschritt. Und vor allem: Europa war an der Seite Deutschlands, als die Mauer fiel. Für viele Osteuropäer war Europa ein Ideal, ein Anziehungspunkt.
Heute, 70 Jahre später, klingen die Europatöne anders.
In Großbritannien steht der Name Nigel Farage für den Austritt aus der Europäischen Union. Der Gründer und Vorsitzende der „United Kingdom Independence Party“, UKIP, feierte mit seinen Anhängern und der Mehrzahl der britischen Wähler die Entscheidung für den „Brexit“:
„Ich werde das nicht nur für uns getan haben, sondern für ganz Europa. Ich hoffe, dass dieser Sieg das gescheiterte Projekt zu Fall bringt, und uns zu einem Europa der souveränen Nationalstaaten führt, die miteinander Handel treiben, befreundet sind, miteinander kooperieren. Lasst uns die Flagge, die Hymne, Brüssel und alles, was falsch läuft, loswerden.“

Mit Nigel Farage freuten sich fast 52 Prozent der Briten. Die andere Hälfte hielt die Hände entsetzt vor die Gesichter. Manche hätten sich das nicht träumen lassen.
Was ist schief gelaufen? Woran krankt diese Europäische Union? Wie konnte aus dem Friedens- und Hoffnungsprojekt von einst, eine Gemeinschaft werden, die einen Teil der europäischen Bevölkerung abstößt?
„Vergessen wir nie, Europa – ganz gleich, was man darüber denken mag – Europa hat uns Frieden gebracht“.
Einer wie Jacques Delors, der ein gutes Jahrzehnt an der Spitze der EU-Kommission stand, konnte so etwas 1992 noch aus tiefer Überzeugung sagen. Angela Merkel äußerte sich heute ähnlich, aber aus der Not geboren:

Nigel Farage, Vorsitzender der UK Independence Party, zeichnet sich siegesgewiss.
Sein Name steht in Großbritannien für den Austritt aus der Europäischen Union: Nigel Farage, Vorsitzender der UK Independence Party. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)

„Wir müssen unsere Schlussfolgerungen aus dem Referendum in Großbritannien mit historischem Bewusstsein ziehen. Auch, wenn es für uns kaum noch vorstellbar ist, so sollten wir nie vergessen, gerade auch in diesen Stunden nicht, dass die Idee der europäischen Einigung eine Friedensidee war.“

Europäische Spitzenpolitiker distanzierten sich von ihrem eigenen Projekt

Viele der europäischen Baumeister glaubten, nach dem Fall der Mauer, dass mit der Währungsunion die Staaten der EU noch fester aneinandergebunden würden. Dass der geldpolitischen Verbindung eine echte, politische Verbindung folgen würde.
Aber tatsächlich keimte mit Beginn der Währungsunion der Zweifel immer stärker und EU-Gegnern, wie Nigel Farage, galt gerade die Währungsunion als Stein des Anstoßes für ihre Anti-EU-Kampagne. Zwar hat Großbritannien das Projekt nur vom Spielfeldrand aus begleitet, London hatte gleich zu Beginn, wie in vielen anderen Details, auch in dieser Frage ein „opt out“ ausgehandelt. Und doch: Die Währungsunion mit ihren aktuellen Schwierigkeiten beförderte die Skepsis:

„Sodass nicht mal mehr diese Grundbotschaft „Europa ist Frieden“ wirklich aufgegriffen wird. In den letzten Jahrzehnten hat man immer gesagt, das nächste neue, kittende Narrativ muss rund um die Globalisierung, den Aufstieg neuer Mächte etc. gesponnen werden, aber derzeit stellen wir fest, dass nicht einmal mehr die Friedensbotschaft der EU von den Menschen, oder Teilen der Menschen, angemessen aufgenommen wird.“
Sagt Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, Professorin für Europaforschung an der Universität Würzburg. Der Fall Großbritannien zeige, das heute selbst wirtschaftliche Eigeninteressen nicht mehr hinreichend überzeugen, um der EU Treue zu schwören. Der ökonomische Kitt halte nicht mehr:
„Ich denke, was schief gelaufen ist, ist, dass diese ganzen jahrzehntelangen Fortschritte im Integrationsprozess irgendwann nicht mehr die Akzeptanz und das Verständnis der Bürger einfangen konnten. Das ging ja sehr lange gut, und sagen wir in den letzten zehn Jahren, unter dem Druck ganz vieler, gleichzeitig ablaufender Prozesse, ist dieser Faden zwischen den Bürgern und der EU irgendwie abgerissen.“

Und noch bevor die Briten an die Wahlurnen gingen, distanzierten sich europäische Spitzenpolitiker von ihrem eigenen Projekt. So sagte der langjährige EU-Kommissar, Günter Verheugen, der nicht nur, aber vor allem für die Osterweiterung der Europäischen Union zuständig war, im Deutschlandfunk:
„Was ich der europäischen Politik bitter ankreide ist, dass Fehlentwicklungen innerhalb der EU, die von den Briten präzise benannt worden sind, einfach nicht ernst genommen wurden. Also die Frage der Kompetenzen, wer macht was? Es ist einfach richtig, dass wir eine Tendenz haben immer mehr nach Brüssel zu zentralisieren, richtig wäre es, mehr und mehr zurückzugeben in die Verantwortung der Mitgliedsländer und der Regionen.“
Für die Fehlentwicklung verantwortlich, so Verheugen, seien alle drei Institutionen: Die EU-Kommission, deren Mitglied Verheugen mehr als zehn Jahre war, der Rat, mit allen EU-Mitgliedern, und das Parlament, das all diesen Dingen, die da falsch liefen, zugestimmt habe.
„Das Problem der Selbstbestimmung gegenüber der vermuteten und teilweise auch bestehenden Fremdbestimmung aus Brüssel, das ist ein ernsthaftes Problem. Genauso ernsthaft, wie das Problem, dass wir zu viel Harmonisierung und Gleichmacherei haben, genauso ernsthaft, wie das Problem, dass das alles viel zu bürokratisch und technokratisch ist, wenig transparent, und dass es auch demokratische Defizite gibt.“
Selbst ein früherer EU-Kommissar lässt am Europa von heute also kein gutes Haar, spricht von „Fremdbestimmung“ durch Brüssel.

Neue Spielregeln für die Euro-Zone, eine Wirtschaftsregierung, wie sie nun die regierenden Sozialisten in Frankreich wieder fordern, würde das als Antwort auf diese sinkende Akzeptanz der EU reichen? Gisela Müller-Brandeck-Bocquet, die Europa-Forscherin an der Universität Würzburg, meint, die Euro-Zone sei stabiler und besser als ihr Ruf, aber es werde nicht genügen, den alten Traum der französischen Sozialisten aufleben zu lassen, zumal Deutschland in Fiskal- und Haushaltsfragen anders tickt:

„Was Deutschland und Frankreich machen müssten, ist tatsächlich so eine Art erneuten Gründungskongress für eine EU der Zukunft zu lancieren, und da sieht es eben momentan sehr schlecht aus.“

Die Büchse der Pandora geöffnet

Denn Frankreich und Deutschland blicken bereits auf das Wahljahr 2017. Deshalb meldet die Europaforscherin Müller-Brandeck-Bocquet Zweifel an:

„In dieser Situation müsste vielleicht die Gesellschaft, also nicht unbedingt nur die Politik, so eine Debatte anfangen, was wir eigentlich mit diesem Europa wollen.“
Medien, Intellektuelle, alle für ein gemeinsames Europa mobilisieren, sagt die Würzburger Forscherin. Reicht das?
Die Europa-Skeptiker, die Menschen im ländlichen Raum, die sich abgehängt fühlen, aber auch die Populisten und Extremisten jenseits der britischen Inseln, werden sich mit einer anderen Kommunikationsstrategie kaum umstimmen lassen. Im Gegenteil. Mit dem „Ja“ der Briten für einen Austritt aus der Europäischen Union, ist die Büchse der Pandora geöffnet: Auf der anderen Seite des Ärmelkanals ruft der Front National nun noch lauter nach einer Volksabstimmung. In einer Zeit, in der Krisenstimmung im Land herrscht. Weil Frankreich wirtschaftlich schwächelt, und der Dauerkonflikt rund um das neue Arbeitsrecht das Land aufreibt. Die EU-Skepsis der Briten hat der Front National immer gut verstanden. FN-Chefin Marine Le Pen wittert nun Morgenluft.
„Das Referendum über eine Zugehörigkeit Frankreichs zur Europäischen Union ist von demokratischer Notwendigkeit. Auch die Franzosen müssen die Möglichkeit haben, den Weg der Freiheit zu wählen, der Frankreich seine volle und ganze Souveränität wieder gibt.“

Souveränität und Freiheit. Das würde auch Bruno le Maire unterschreiben. Er ist einer der Präsidentschaftsanwärter der konservativen Republikaner, der französischen Schwesterpartei der CDU. Auch le Maire wirbt für ein Referendum. Doch er will seine Landsleute mit Europa versöhnen. An diesem Freitag sprach er sich für ein neues deutsch-französisches Projekt und für eine andere Ausrichtung der EU aus.

„Das Votum ist das Ende eines bestimmten Europas und es sollte der Beginn eines neuen Europas sein. Es ist eine historische Chance für Frankreich wieder die Führung in Europa zu übernehmen und sehr bald eine neue Orientierung vorzuschlagen. Ein Europa das Grenzen hat, ein Europa das endlich seine wirtschaftlichen Interessen verteidigt. Ein Europa, das fähig ist, die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten.“

Mit dem Votum aus Großbritannien ist das Tabu eines Austritts aus der Europäischen Union nun also gebrochen. Und die Angst vor sogenannten Wirtschaftsflüchtlingen aus EU-Staaten, die gibt es nicht nur in Großbritannien und Frankreich. Vielen Wählern in Europa bereitet das Thema Einwanderung die größte Sorge, neben ihrer Unzufriedenheit mit den Brüsseler Institutionen.
Der Erfolg der Populisten auf der einen und das geringe Vertrauen in die Problemlösungsfähigkeit der gewählten Politiker auf der anderen Seite ist für Manfred Weber jedoch nicht nur ein europäisches Thema. Der Vorsitzende der konservativen EVP-Fraktion im Europa Parlament sagte im Deutschlandfunk:

Sechs Männer in Anzügen recken jubelnd die Fäuste in die Luft. Einige haben Landesfähnchen in den Händen; einer hält ein Bierglas.
Menschen in einem Pub in London bejubeln am 24.6.2016 den Ausgang der Referendums in Großbritannien für einen EU-Austritt. (AFP / GEOFF CADDICK)

„Wilders ist auch bei nationalen Umfragen fürs nationale Parlament derzeit in den Niederlanden Nummer eins. Le Pen ist auch bei nationalen Umfragen ganz, ganz stark. Das heißt, es geht nicht nur um Europa oder Europawahlen; es geht auch um das Versagen, was wir auch auf nationaler Ebene oft erleben. Wir brauchen Staatsmänner und Staatsfrauen, die den Menschen die Globalisierung erklären und sagen, wenn wir nicht zusammenhalten, dann hat dieser Kontinent keine gute Zukunft.“

Besonders für die niederländische Regierung ist dies ein schwieriger Spagat. Zum einen hat die Regierung von Ministerpräsident Mark Rutte noch bis Ende des Monats die Ratspräsidentschaft der EU inne, zum anderen ist sie mit einem der schärfsten EU-Kritiker konfrontiert. Mit Geert Wilders, der den Brexit-Befürwortern in Großbritannien in den letzten Wochen die Daumen gedrückt hat. Für ihn wäre ein Referendum über den Nexit, über einen niederländischen Austritt aus der EU der nächste Schritt:
„Natürlich ist es so, und da sollten wir auch kein Geheimnis daraus machen, dass ein Austritt in dem ersten Jahr, in den ersten zwei Jahren Geld kostet, aber danach wird es finanziell nur Vorteile bringen, wenn wir nicht mehr vier bis fünf Milliarden nach Brüssel überweisen müssen, wenn wir keine Zuwanderungspolitik mehr machen müssen, die uns sieben Milliarden Euro jährlich kostet. Wir müssten auch nicht mehr die Griechen durchfüttern; wir wären wirklich wieder Herr im eigenen Land.“

Die Staaten Europas sortieren sich, ringen um Worte

Im niederländischen Parlament gibt es dafür keine Mehrheit, und auch Ministerpräsident Mark Rutte hat sich bereits unabhängig vom Ausgang des EU-Referendums in Großbritannien vehement dagegen ausgesprochen über multilaterale Vereinbarungen abstimmen zu lassen.
„Ich bin absolut gegen Referenden und ich bin absolut gegen Referenden über multilaterale Vereinbarungen.“
Doch eine knappe Mehrheit der niederländischen Bevölkerung sieht das anders. Bereits Anfang April hatten EU-Kritiker per Referendum erreicht, dass ihre Regierung erneut über das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine verhandeln muss. Die Ukraine selbst spielte dabei nur eine untergeordnete Rolle. Das Referendum sollte als Warnung an die EU verstanden werden. Eine Warnung, die auch aus dem Osten der Union zu hören ist.
„Wir wünschen uns von Herzen, dass alle europäischen Staaten die Europäische Union verlassen. Unser Kontinent würde sich dann ganz anders entwickeln. Keine Befehle mehr aus Berlin oder Brüssel, das wäre ein riesiger Triumph.“
Vaclav Klaus gilt als schärfster und prominentester EU-Kritiker in Tschechien. Seit Monaten schon rührt der ehemalige Präsident die Werbetrommel für eine Volksabstimmung nach britischem Vorbild. An diesem Freitag sprach er von einem Erfolg gegen das – so wörtlich – „Brüsseler Monster“. Auch wenn im tschechischen Parlament noch nicht über einen möglichen Czexit debattiert wurde, steht auch der Mitte-Links-Regierung in Prag eine Diskussion über die künftige Rolle der Europäischen Union bevor.
Die Staaten Europas sortieren sich, ringen um Worte, die überzeugen sollen, damit die Europäische Union nicht zerbricht. Dem Gipfeltreffen in Brüssel in der kommenden Woche werden zahlreiche Gespräche in diversen Runden vorausgehen. Nationale Gremien tagen, Ministerrunden ebenfalls, Parteifreunde stecken länderübergreifend die Köpfe zusammen. Angela Merkel und Francois Hollande, Berlin und Paris, stimmen sich eng ab. Noch, sagt Professor Henrik Enderlein, Direktor des Jacques Delors Instituts in Berlin, noch sei Großbritannien aber nicht ausgeschieden.

„Jetzt beginnt ein sehr langwieriges Verfahren, wo Großbritannien nach Artikel 50 einen Antrag stellt, dann verhandelt man, dann spricht man über zwei Jahre. Und ich glaube einfach nicht, dass Großbritannien diesen ganz harten Schnitt vollziehen wird, sondern dass man versuchen wird, möglichst nah an der Europäischen Union zu bleiben. Und das schafft dann eben außerhalb des Vertrags wahrscheinlich einen Status, der eine verbesserte assoziierte Mitgliedschaft ist. Und das wäre dann eben eine zweite Ebene Europas, die vielleicht eines Tages auch für die Türkei oder für die Ukraine, für Norwegen und die Schweiz Anwendung finden könnte.“
Enderlein spricht nicht von Kerneuropa , er spricht vom „Europa der zwei Ebenen“. Das sei der konsequente Schritt:

„Klar muss sein: Was jetzt beginnt, ist kein Verhandlungsprozess. Großbritannien stellt einen Antrag und die Europäische Union muss ganz klar sagen, dass es nichts anzubieten gibt von Europa. Wenn Großbritannien aber kommt und sagt, man würde gerne weiterhin ein assoziiertes Mitglied der Europäischen Union sein, man würde gerne einen Weg zurück finden in eine assoziierte Mitgliedschaft, dann sollte sich Europa diesen Wünschen sicherlich nicht in den Weg stellen, sondern man sollte versuchen, den Vertrag weiterzuentwickeln. Hier kommt man an einer Vertragsänderung sowieso nicht vorbei. Und dort eben diesen zweiten Status zu schaffen.“
Während der konservative EU-Parlamentarier und CDU-Politiker Elmar Brok den Briten zum Frühstück ein „Draußen ist Draußen“ auftischte, plädiert Enderlein im Deutschlandfunk für ein maßvolles Vorgehen:
„Wir wissen alle, dass vor Wahlen und vor Referenden auch mal harte Töne angeschlagen werden müssen. Ich würde heute Morgen aber zu Pragmatismus aufrufen und an alle Politiker, auch an Deutschland appellieren zu sagen: Ja klar, man darf jetzt nicht Zugeständnisse machen, aber man muss mit sehr viel Pragmatismus und Ruhe in diesen Verhandlungsprozess, in diesen Gesprächsprozess gehen, denn am Ende schaden wir uns alle selbst.“

Wie immer die nun anstehenden Verhandlungen der EU-Staaten mit dem Austrittskandidaten Großbritannien nun inhaltlich und in der Form geführt werden, der rechtliche Rahmen für das, was jetzt kommt, ist abgesteckt:
„Als wir im letzten Jahr über den Grexit gesprochen haben, über das Ausscheiden Griechenlands, da war überhaupt keine Rechtsgrundlage vorhanden, dass ein Land aus der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, aus dem Euro ausscheiden kann. Demgegenüber sieht der Vertrag einen normalen Austritt eines Landes vor. Das heißt, es gibt einen rechtlich abgesteckten Prozess, Europa ist vorbereitet, die Pläne liegen in den Schubladen.“
Artikel 50 des Lissabon-Vertrages regelt den Austritt eines Staates aus der EU. Jedenfalls in groben Zügen. Denn, anders als es EU-Gegner und Skeptiker gerne verbreiten, sind die Staaten völkerrechtlich souverän und können einem Klub, dem sie beigetreten sind, auch wieder verlassen. London muss dem Europäischen Rat diese Absicht allerdings offiziell mitteilen. Bis es dann so weit ist, ist vieles Verhandlungssache. Und solange verhandelt wird, bleibt Großbritannien Mitglied der EU.
„Ich glaube nicht, dass man jetzt von einem Zerfall Europas sprechen kann.“
Sagt der Direktor des pro-europäischen Jacques Delors-Instituts in Berlin:

Stadtbild von London
Artikel 50 des Lissabon-Vertrages regelt den Austritt eines Staates aus der EU. (AFP / Rob Stothard)

„Natürlich ist das kein guter Tag für Europa, aber es ist ein noch viel schlimmerer Tag für Großbritannien. Ich würde aber auch anmerken, dass Europa wieder Verteidiger braucht, dass Europa wieder leidenschaftliche politische Plädoyers braucht. Wer sich jetzt nicht engagiert für Europa einsetzt, der macht sich der unterlassenen Hilfeleistung schuldig. Denn dieses Projekt steht im Kreuzverhör der Kritik und jeder Politiker, der die Zukunft dieses Kontinents weitertreiben möchte, der muss jetzt für Europa in die Bresche gehen und sagen: Ja, wir wollen dieses Europa weiterbauen, Europa ist nicht Teil des Problems, Europa ist Teil der Lösung.“

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