Von: Delia Friess, Heike Westram

Stand: 14.07.2022 |Bildnachweis

Es klingt nach Science-Fiction: Können wir mit Spiegeln im All, Aerosolen am Himmel oder riesigen CO2-Filtermaschinen die globale Erwärmung aufhalten? Geoengineering wird kontrovers diskutiert – auch, weil sich solche Eingriffe auf die ganze Welt auswirken. Wir erklären euch, welche Methoden es gibt, ob einige davon zukunftstauglich sind und welche Risiken bestehen.

Experten befürchten bereits jetzt, dass wir den Klimawandel nicht mehr rechtzeitig aufhalten können, weil wir unser Verhalten zu langsam ändern oder unsere Bemühungen nicht ausreichen – und wir so das maximale 2-Grad-Ziel weit verfehlen. Die verheerenden Folgen wären unter anderem noch stärkere Temperaturanstiege, Extremwetter wie Hitze und Starkregen. Als Notlösung kommen daher immer wieder technische Möglichkeiten – sogenanntes Geoengineering – ins Spiel. Aber was ist Geoengineering genau – und welche Risiken und Möglichkeiten bringen die Methoden mit sich?

GEOENGINEERING: Was ist das eigentlich?

Als Geoengineering oder Climate-Engineering werden technische Methoden bezeichnet, die das Klima künstlich beeinflussen. Sie sollen helfen, den Klimawandel zu bremsen oder zu kompensieren. Unter den Begriffen werden verschiedene Ideen zusammengefasst.

Die Krux dabei: Sie greifen teilweise massiv in die Natur ein. Die Auswirkungen und Folgen solcher Eingriffe für unseren Planeten sind aber bisher wenig erforscht. Unklar ist auch, ob einzelne Maßnahmen realisierbar sind.

Je nach Methode schätzt der Weltklimarat das Nutzen-Risiko-Verhältnis unterschiedlich ein.

Es gibt zwei Ansätze des Geoengineerings:

1. Das Solar Radiation Management (SRM) fasst verschiedene Methoden zusammen, die die Sonnenstrahlung von der Erde abhalten und so dafür sorgen sollen, dass es auf der Erde kühler wird. Der Weltklimarat rät aktuell von diesen Methoden ab.

2. Der andere Ansatz basiert auf Methoden, Kohlendioxid aus der Luft zu entnehmen, das sogenannte Carbon Dioxide Removal (CDR) oder Negative Emissions Technologies (NET).

Das von uns ausgestoßene CO2, das für den Treibhauseffekt sorgt, soll aus der Luft gefiltert und gespeichert werden. Dabei wird nochmals zwischen technischen und naturnahen Methoden, die natürliche Prozesse imitieren und beschleunigen sollen, unterschieden. Laut Weltklimarat können wir die Klimaziele wohl nicht mehr ohne “negative Emissionen” erreichen.

SONNENSTRAHLEN: Von außen bremsen

Illustration: Planet Erde wird von einem Netz umspannt. Solar Radiation Management ist eine Methode des Geoengineerings. Dabei sollen Sonnenschirme oder Spiegel um die Erde das Sonnenlicht reflektieren. (Symbolbild) | Bild: colourbox.com

Solar Radiation Management ist ein Ansatz des Geoengineerings: Sonnenschirme und Spiegel im All sollen Sonnenstrahlen reflektieren. (Symbolbild)

Was wäre, wenn wir Sonnenstrahlen von der Erde abhalten und damit die Erderwärmung aufhalten könnten? Die Ideen reichen von riesigen Sonnenschirmen bis Spiegeln im Weltall, die die Strahlung reflektieren sollen. Jedoch wären die Kosten immens – und die Umsetzung wahrscheinlich mit einem riesigen Aufwand verbunden. Eine andere Idee ist es, einen Vulkanausbruch “nachzuahmen”, und entstand nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen 1991. Damals gelangten Schwefelpartikel in die Stratosphäre, reflektierten die Sonnenstrahlung und sorgten dafür, dass die Durchschnittstemperatur auf der Erde kurzzeitig um ein halbes Grad sank. Den Effekt könnten wir imitieren, indem wir Schwefelpartikel mit Flugzeugen in der Stratosphäre versprühen. Allerdings hätte ein solcher Eingriff erhebliche Nebenwirkungen: Die Schwefelpartikel könnten die Ozonschicht schädigen und der Temperaturunterschied zwischen den Tropen und den Polen würde sich verringern. Forscher gehen außerdem davon aus, dass der Sommermonsun in Ländern wie China und Indien beeinträchtigt wird. Der Regen dort ist aber für die Bauern der Region überlebenswichtig. Umweltschützer und Wissenschaftler halten schon Experimente für so gefährlich, dass sie 2021 einen Feldversuch in Schweden stoppten.

ZITAT: Künstliches Klima ohne blauen Himmel

“Durch Emissionsminderungen den Klimawandel zu bremsen, ist in jedem Fall den Aerosolen in der Stratosphäre vorzuziehen. Die künstlichen Aerosole wären nicht nur ein immenser Eingriff in die Natur mit Risiken für den ganzen Planeten, sondern hätten auch gesellschaftliche Konsequenzen: Es gäbe keinen blauen Himmel mehr. Dadurch hätten vermutlich mehr Menschen Depressionen.”

Ulrike Niemeier, Klimaforscherin, Max-Planck-Institut für Meteorologie Hamburg

KÜNSTLICHE AEROSOLE: Abhängigkeit mit Nebenwirkungen

Der Ausbruch des Vulkans Pinatubo 1991 auf den Philippinen. Einen künstlichen Vulkanausbruch nachzuahmen gilt als eine Geoengineering-Maßnahme mit dem Ziel, den Klimawandel künstlich zu bremsen.  | Bild: picture-alliance/dpa

Nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo 1991 sank die globale Durchschnittstemperatur um ein halbes Grad.

Wir müssten außerdem immer wieder Aerosole versprühen, denn der Effekt wäre vermutlich nur kurzzeitig: Reduzieren wir unseren Emissionsausstoß parallel nicht stark und hören nach einigen Jahren mit den Injektionen am Himmel auf, müssten wir innerhalb von weniger als zehn Jahren mit einem abrupten Temperaturanstieg rechnen. Daran könnten sich Natur und Tiere wohl nur schwer anpassen, sagt Ulrike NiemeierKlimaforscherin am Max-Planck-Institut für Meteorologie in Hamburg. Berechnungen legen nahe, dass wir jährlich fünf bis achtmal so viel Aerosole in die Stratosphäre bringen müssten als nach dem Ausbruch des Vulkans Pinatubo 1991: Um jährlich ein einziges Grad Celsius zu senken, bräuchten wir täglich mindestens 7.000 Flüge mit Spezialflugzeugen, die die Partikel in der Stratosphäre versprühen. Und dann stellt sich noch die Frage, woher wir die Schwefelpartikel nehmen: Dafür müssten wir wohl andere Ressourcen verbrauchen. Wegen der vielen Risiken rät der Weltklimarat in seinen aktuellen Berichten von Solar Radiation Management ab.

RIESIGE FILTERMASCHINEN: Die Luft säubern

Die Filtermaschinen des Projektes "Orca" auf Island sollen seit 2021 jährlich 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft saugen. Der Nachteil: Die Machinen haben einen extrem hohen Energiebedarf. Methoden der Kohlenstoff-Entnahme, auch Carbon Dioxide Removal (CDR) oder Negative Emissions Technologies (NET) genannt, sind ein Ansatz des Geoengineerings.  | Bild: picture-alliance/dpa

Kohlenstoff-Entnahme auf Island: Filtermaschinen des Projektes “Orca” sollen seit 2021 jährlich 4.000 Tonnen CO2 aus der Luft saugen.

Nach Berechnungen des Weltklimarats werden wir das 2-Grad-Ziel wohl nur noch mit “negativen Emissionen” erreichen können. Die Idee dahinter: CO2 soll wieder aus der Luft geholt werden. Auch für unsere “Restemissionen” werden sie demnach unvermeidlich sein. Dabei handelt es sich um Bereiche, die wohl unvermeidlich nach wie vor Treibhausgase ausstoßen werden – auch wenn wir unsere Klimaziele erreicht haben. Dazu werden wohl die Landwirtschaft oder die Industrie zur Herstellung von Beton und Zement zählen. Forschende gehen davon aus, dass diese Bereiche auch dann noch etwa eine Menge an Treibhausgasen emittieren werden, die mit 10 bis 15 Prozent der heutigen Emissionen vergleichbar sind.

Wissenschaftler versuchen schon jetzt mit Maschinen CO2 aus der Luft zu filtern oder direkt an Kohlekraftwerken zu entnehmen. Unterirdische Lager in der Erde oder am Meeresboden müssten das CO2 im Anschluss lange und sicher lagern können. In Norwegen wird bereits flüssiges CO2 in ehemalige Erdgas- und Erdöllagerstätten in die Erde oder in den Meeresgrund gepresst. Ob das CO2 dann dauerthaft gespeichert wird, ist nicht unbedingt klar. Die Projekte erwiesen sich bisher als relativ sicher. Allerdings zeigen Experimente und Modelle, dass es auch zu Lecks kommen kann. Im schlimmsten Fall könnte das CO2 durch Naturkatastrophen, Unfälle oder Kriege zurück in die Atmosphäre gelangen oder dem Ozean schaden. Ein weiteres Problem dieser Methoden: Die riesigen Maschinen, die das C02 filtern, haben bisher selbst einen immensen Energieverbrauch – und wir würden sehr viele von ihnen brauchen. Um einen Effekt auf die Erderwärmung zu haben, müssten sie mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Eine andere Idee ist, die Energie zu nutzen, die bei der Müllverbrennung entsteht, um die Maschinen zum Laufen zu bringen.

AUDIO: Mit Technik gegen die Klimakrise

CO2 capture plant of the company Climeworks at the waste incineration plant KEZO Kehrichtverwertung Zuercher Oberland in Hinwil, Canton of Zurich, Switzerland, on May 5, 2017. Climeworks sells and transports the CO2 to the neighbouring company Gebrueder Meier Primanatura AG, which uses it for their greenhouses. | Bild: picture alliance/KEYSTONE | GAETAN BALLYAudio: Kann Geoengineering den Klimawandel stoppen?

AUFFORSTEN: Fläche fünfzig mal so groß wie Deutschland

In der Natur wird CO2 aufgenommen, gespeichert und umgewandelt – nur dauert das teilweise lange. Deshalb gibt es die Idee, natürliche Prozesse künstlich zu beschleunigen und nachzuahmen. Zum Beispiel, indem wir Wälder ausdehnen. Eine weitere Möglichkeit ist, schnellwachsende Pflanzen wie Elefantengras auf Biomasseplantagen anzubauen, sagt Julia Pongratz, Professorin für physische Geographie und Landnutzungssysteme an der LMU München, die das Forschungsprogramm zur landbasierten CO2-Entnahme “CDRterra” leitet. Verbrennen wir diese Biomasse, könnten wir die dabei gewonnene Energie anstatt fossiler Brennstoffe verwenden. Das CO2 könnten wir dabei abzweigen. Dann müssten wir es sicher im Boden speichern.

In Szenarien, die die globale Erwärmung auf 1, 5 Grad begrenzen, bräuchten wir der Wissenschaftlerin zufolge bis 2050 weltweit rund 300 Millionen Hektar zusätzlichen Wald und 200 Millionen Hektar Ackerland für Bioenergie. Das entspricht ungefähr der Größe von Indien beziehungsweise Mexiko, sagt Julia Pongratz. Laut Pongratz sei das eine Größenordnung von zusammengenommen einem Drittel aller landwirtschaftlichen Flächen weltweit und einem Viertel der Felder in Deutschland, die wir aufforsten müssten. Andere Forscher gehen sogar von einer benötigten Fläche aus, die fünfzig mal so groß wie Deutschland sein müsste – nur um unsere weltweiten Restemissionen zu tilgen.


Auch nicht ohne Risiken: Aufforstung im ganz großen Stil

Eine der größten Hürden dabei ist, dass wir die meisten Flächen für die Landwirtschaft nutzen. Daher werden immer wieder Vorschläge laut, Wüsten und Steppen, die sich weltweit stärker ausbreiten, zu nutzen. Die Idee, eine “Great Green Wall”, einen Grünstreifen in der Sahara zu pflanzen, kam bereits im vergangenen Jahrhundert auf. Auch dann würden wir jedoch Ökosysteme und Wasserkreisläufe verändern. Forsten wir in den oft hellen Wüsten auf, könnte es auf der Erde sogar wärmer werden. Die Farbe der Erde würde sich verändern und das Sonnenlicht nicht mehr so stark reflektieren.

Alle CO2-Entnahme-Methoden haben nur begrenzte Potentiale und gehen mit Risiken und verschiedenen Nebenwirkungen einher, betont Julia Pongratz. Ihrer Ansicht nach müssten wir verschiedene Maßnahmen sinnvoll kombinieren. Alleine in der Gruppe, die die Fotosynthese von Pflanzen nutzt, gäbe es eine ganze Reihe von Methoden, so die Wissenschaftlerin. Einige Methoden nutzen wir bereits jetzt: Um Biokraftstoffe zu gewinnen, verwenden wir Erntereste, Gülle und andere Bioabfälle. Die beim Verbrennen entstehende Biokohle kann den Boden sogar fruchtbarer machen. Dennoch können auch diese Methoden der Biodiversität und den Böden schaden.

KLEINRASPELN: Jedes Jahr einen Berg

Die Illustration zeigt Berge, die kleingeraspelt und auf ein Feld gestreut werden. Künstliche Verwitterung ist eine Methode der Kohlenstoff-Entnahme und wird als Geoengineering bezeichnet. Die Technik soll helfen, den Klimawandel zu bremsen, ist aber mit hohen Risiken verbunden. | Bild: Rita Erven, GEOMAR

Künstliche Verwitterung ist eine Methode der Kohlenstoff-Entnahme: Auch diese Geoengineering-Technik ist mit hohen Risiken verbunden.

Eine der aussichtsreichsten Ideen der naturnahen Methoden: Das Prinzip der Verwitterung nachahmen. Zumindest nach den Untersuchungen des DFG-Forschungsprojekts “Climate Engineering – Risks, Challenge, Opportunities?”, das von Klimaforscher Andreas Oschlies vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel geleitet wird. In der Natur entfernen verschiedene Gesteinsarten in Kombination mit Wasser CO2 aus der Atmosphäre und binden es dauerhaft. Wir nutzen diesen Effekt schon jetzt, um saure Böden zu bearbeiten und Felder zu düngen. Gleichzeitig macht Kalk oder Basaltgestein den Boden fruchtbarer. Künftig könnten wir Gestein auf Felder und in Ozeane streuen. Eine Studie von der Universität Augsburg kam sogar zu dem Ergebnis, dass der klimaschützende Effekt in natürlichen Ökosystemen mit nährstoffarmen Böden noch stärker ist als auf Feldern. In diese Ökosysteme einzugreifen, wäre jedoch riskant: Der Boden kann mit Schwermetallen belastet werden, aber es kann auch zu uns noch völlig unbekannten Nebeneffekten kommen. Außerdem wäre der Aufwand immens: Wir bräuchten sehr viel Gestein – global gesehen jedes Jahr die Größenordnung eines Berges, den wir kleinraspeln müssten. Auch das Gestein zu verteilen, würde eine Kraftanstrengung bedeuten. Eine Option jedoch ist, die Infrastruktur der Kohleindustrie zu nutzen.

Viele Forscher betonen jedoch: Bei naturnahen Methoden handelt es sich ebenfalls um Geoengineering – auch sie greifen stark in Ökosysteme und das Klima ein.

ETHISCHE BEDENKEN: Soziale und politische Folgen

Bei den meisten Ideen zeigt sich: Geoengineering und seine Risiken sind auch aus ethischer Perspektive bedenklich. Die Methoden können als Ausrede dienen, den Klimaschutz aufzuschieben. Und sollten wir Menschen überhaupt so stark in die Natur eingreifen? Bereits Feldversuche können erhebliche Nebeneffekte haben – auch solche, die wir noch gar nicht kennen. Deshalb fordern einige Wissenschaftler sogar, Experimente mit Geoengineering ganz zu lassen. Andererseits gibt es von Forschern das Argument, dass wir durch unsere Emissionen schon so stark in die Natur eingreifen, wie wir es mit Geoengineering auch tun würden. Durch die Forschung könnten wir Risiken besser abschätzen und wären für die Zukunft zumindest vorbereitet.

Der im Juli 2015 veröffentlichte europäische Forschungsbericht “Eutrace” betrachtete Geoengineering ebenfalls skeptisch. Zum einen wegen der ungewollt ausgelöst werden könnten, eventuell auch gefährlichen, klimatischen Nebenwirkungen. Zum anderen, weil durch einen Geoengineering-Einsatz durchaus nationale Konflikte oder sogar ein Krieg ausgelöst werden könnte. Deshalb sei Geoengineering in den nächsten Jahrzehnten nicht praktikabel. Prof. Dr. Mark Lawrence ist wissenschaftlicher Direktor des Potsdamer Instituts für Nachhaltigkeitsstudien IASS und sieht die Gefahr, dass wir uns auf Methoden, die die Luft filtern, verlassen.

ZITAT: Nicht auf Geoengineering verlassen

“Erst zur Mitte dieses Jahrhunderts wären wir mit den CDR-Technologien soweit, dass sie eine Möglichkeit der CO2-Entfernung in klimarelevanten Mengen darstellen könnten. Aber bis 2050 müssten wir bereits die klimaschädlichen Emissionen auf Null reduziert haben, um unter zwei Grad zu bleiben.”

Prof. Dr. Marc Lawrence, wissenschaftlicher Direktor des Potsdamer Instituts für Nachhaltigkeitsstudien (IASS)

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