Außenministerin Baerbock versichert der Ukraine ihre Unterstützung, unabhängig von der öffentlichen Meinung. Es folgt eine Schmutzkampagne.
Annalena Baerbock: ein Opfer prorussischer DesinformationFoto: Petr David/AP/dpa
BERLIN taz | Wer Anschauungsmaterial darüber sehen möchte, wie einfach Desinformation verfängt, sollte sich ein Video mit Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) anschauen, das gerade im Netz für Furore sorgt. Es geht um eine Stelle, in der sie der Ukraine ihre bereits versprochene Unterstützung noch einmal bekräftigt – unabhängig von der Meinung ihrer Wähler:innen („no matter what my German voters think“). Umgehend schossen sich Linke und radikale Rechte auf Baerbock ein.
Sahra Wagenknecht (Linkspartei) twitterte: „Eine Außenministerin, die erklärtermaßen nicht die Interessen der deutschen Wähler, sondern der Ukraine vertritt (…), ist nicht nur eine eklatante Fehlbesetzung, sondern eine Gefahr für unser Land.“ Die linke Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen kritisierte auf dem Kurznachrichtendienst, Baerbock sei ein „Totalausfall“.
In radikal rechten Accounts brach eine Schmutzkampagne gegen Baerbock los, AfD-Chefin Alice Weidel forderte ihren Rücktritt. Auch aus der CDU kam Kritik, aber andere. Außenpolitiker Norbert Röttgen schrieb auf Twitter von „Schein-Heroismus“, weil die Mehrheit der Deutschen zur Unterstützung der Ukraine bereit sei. „Demokratische Politiker müssen versuchen, die Anderen mit guten Argumenten zu überzeugen und nicht mit Basta.“
Baerbock äußert sich eigentlich ganz anders
Das Video wurde im Netz tausendfach geklickt, der Hashtag #BaerbockRuecktritt trendete bei Twitter. Die Zitate sind aus einem Beitrag, den Baerbock am Mittwoch bei einem Panel in Prag gehalten hat. Doch Baerbock sagt eben nicht, wie ihr unterstellt wird, dass ihr die deutschen Wähler:innen egal sind. Im Gegenteil: Sie warnt vor einer Spaltung der westlichen Demokratien, versichert den Menschen in Deutschland ihre Solidarität und spricht von der Notwendigkeit von Entlastungen angesichts hoher Energiepreise. Nur all das taucht in dem kurzen, geschnittenen Clip nicht auf.
Nach Darstellung des Auswärtigen Amts wurde die Kritik an Baerbocks Äußerung durch prorussische Desinformation befeuert. „Der Klassiker: Sinnenstellend zusammengeschnittenes Video, geboostert von prorussischen Accounts und schon ist das Cyber-Instant-Gericht fertig, Desinformation von der Stange“, schrieb der Ministeriumsbeauftragte für strategische Kommunikation, Peter Ptassek, am Donnerstag auf Twitter. „Ob wir uns so billig spalten lassen? Glaube ich nicht.“ Sein Tweet wurde vom offiziellen Twitterkanal des Auswärtigen Amts weiterverbreitet.
Unterstützung für Baerbock gab es aber auch aus der Opposition. „WENN, dann war der einzige Fehler, es so offen zu kommunizieren“, schrieb etwa die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler auf Twitter. „Aber dass wir als Abgeordnete & als Politiker uns allen voran von unserem Gewissen & unseren Überzeugungen leiten lassen, die vielleicht auch mal gegen die Meinung der Mehrheit sind, darf kein Fehler sein.“ Zu Baerbocks Einlassung gehöre Mut, so Güler. „Mehr davon. Alles andere nennt man auch ‚Opportunismus‘.“