Erstellt: 02.09.2022, 12:04 Uhr
Außenministerin Annalena Baerbock ist in die Kritik geraten, weil sie der Ukraine bedingungslose Unterstützung zugesagt hatte. Linke, AfD und CDU reagieren empört.
Berlin – Bundesaußenministerin Annalena Baerbock steht massiv in der Kritik, weil sie der Ukraine ihre Unterstützung zugesagt hat – unabhängig von der Meinung der Wähler in Deutschland. Die AfD und die Linke warfen der Grünen-Politikerin deshalb eine Missachtung des Wählerwillens vor. Kritik kam auch aus der CDU, bei Twitter war #BaerbockRuecktritt am Donnerstag einer der meistgenutzten Hashtags in Deutschland. Die Phrase hatte sich allerdings auch in der Vergangenheit schon mehrfach in den Twitter-“Trends“ gefunden.
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Anlass waren diesmal Äußerungen, die Baerbock bereits am Mittwoch bei einer Podiumsdiskussion in Prag getätigt hatte. Dort erklärte die Ministerin auf Englisch, dass sie den Ukrainern versprochen habe, sie so lange wie nötig zu unterstützen, und dass sie deshalb auch liefern wolle – unabhängig davon, was ihre deutschen Wähler darüber denken. Im Wortlaut sagte sie: „No matter what my German voters think.“ – „Egal, was meine deutschen Wähler denken.“
Ganz so einfach scheint die Sachlage aber dann doch nicht: Aus dem Außenministerium war am Donnerstag zu lesen, bei einem Videoclip zu Baerbocks Aussage handle es sich um Desinformation. „Sinnenstellend zusammengeschnittenes Video, geboostert von prorussischen Accounts und schon ist das Cyber-Instant-Gericht fertig, Desinformation von der Stange“, twitterte Peter Ptassek, Ministeriumsbeauftragter für strategische Kommunikation.
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Baerbock in der Kritik: Längeres Video zeigt vollständiges Ukraine-Zitat
Tatsächlich existiert auch ein längeres Video der fraglichen Passage von Baerbocks Auftritt. Darin sagt die Außenministerin: „Wenn ich als Politikerin das Versprechen gebe – und glücklicherweise gibt es in der Demokratie die Möglichkeit, dass die Menschen mir widersprechen und mir vorwerfen, ich hätte nicht die Wahrheit gesagt – aber wenn ich den Menschen in der Ukraine das Versprechen gebe, wir stehen euch bei, so lange ihr uns braucht, dann will ich liefern. Egal, was meine Wähler in Deutschland darüber denken, aber ich will den Menschen in der Ukraine gegenüber liefern.“ Baerbock fügte hinzu: „Deshalb ist es wichtig, immer sehr offen und klar zu sein.“
Zum Kontext gehört auch: Bei der Runde in Prag hatte Baerbock auch vor einer Spaltung der westlichen Demokratien gewarnt. In diesem Zusammenhang versicherte sie, sie stehe ebenso in Solidarität zu den Menschen in Deutschland wie zu den Menschen in der Ukraine.
Baerbock nach Ukraine-Versprechen in der Kritik: „Ukraine first, Bürger egal“
In den sozialen Netzwerken war schon am Donnerstagnachmittag einiges an Wut und Vorwürfen zu lesen. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel warf Baerbock vor, die Bürger seien ihr egal. „Sage nicht ich, sondern sie selbst. Und gibt damit zu, dass die #Ampel ganz bewusst gegen die Menschen in unserem Land arbeitet“, schrieb Weidel bei Twitter. Die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen von der Linken kritisierte an gleicher Stelle, eine Außenministerin, die nach dem Motto „Ukraine first, Bürger egal“ handle, sei ein „Totalausfall“.
Der CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen schrieb auf Twitter von „Schein-Heroismus“, weil die Mehrheit der Deutschen zur Unterstützung der Ukraine bereit sei. „Demokratische Politiker müssen versuchen, die Anderen mit guten Argumenten zu überzeugen und nicht mit Basta“, schrieb Röttgen in dem sozialen Netzwerk.
Video: Baerbock: Wir dürfen uns nie wieder von Ländern wie Russland abhängig machen
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Desinformation oder Eingriffe russischer Bots und Trolle in Debatten sind bereit seit Monaten ein vieldiskutiertes Thema – etwa in Zusammenhang mit dem Shitstorm anlässlich eines Partyvideos von Finnlands Ministerpräsidentin Sanna Marin. Auch das Bundesinnenministerium warnte zuletzt, wenn auch in etwas anderem Kontext. „Wir haben mit Sorge zur Kenntnis genommen, dass über Fake-Accounts in bestimmten sozialen Medien täuschend echt aussehende, allerdings gefälschte Webauftritte von etablierten Nachrichtenseiten verlinkt werden“, hieß es am Dienstag.
„Russische Propaganda wird im extremistischen Milieu voraussichtlich noch zunehmen und Verschwörungsnarrative befeuern mit dem Ziel, einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben“, teilte das Bundesamt für Verfassungsschutz Mitte August mit. (dpa/fmü/fn)