von Jens König und Martin Jäschke
14.11.2012, 16:52
Klaus Trittin, Vater des Grünen-Spitzenkandidaten Jürgen Trittin, kämpfte im Zweiten Weltkrieg bis zur letzten Minute – und zeigte seinen Kindern später und voller Reue ein KZ.
Von Martin Jäschke und Jens König
Jürgen Trittin hat den Job des Vizekanzlers und Finanzministers fest im Blick. Sollte es nach der Bundestagswahl 2013 zu einer rot-grünen oder auch schwarz-grünen Koalition kommen, wird der Fraktionschef wohl der Hüter über das Geld und damit der wichtigste Grüne in der Regierung werden. Das ist bemerkenswert: Vor vielen Jahren galt Trittin noch als Rüpel, als Hausbesetzer und Ex-Kommunist, der das System stürzen wolle. Über viele Jahre hinweg stand Deutschland bei ihm unter Generalverdacht, überall sah er die Gefahr eines neuen Faschismus heraufziehen. Heute ist Trittin in der Rolle des politischen Profis und Fast-Staatsmanns akzeptiert. Er hat sich mit dem Land ausgesöhnt und das Land mit ihm.
stern-reporter stießen bei Recherchen für ein großes Trittin-Porträt auf ein der breiten Öffentlichkeit bislang unbekanntes Detail seiner Biografie, das Jürgen Trittins Lebensweg beeinflusst haben dürfte: Sein Vater, Klaus Trittin, geboren 1923 und ausgebildeter Betriebskaufmann, war bei der Waffen-SS.
Das große Trittin-Porträt
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Vater freiwillig zur Waffen-SS
Klaus Trittin hatte sich als 17-Jähriger 1941 freiwillig zur Waffen-SS gemeldet, Mitgliedsnummer 496535. Ein Jahr später trat er der NSDAP bei, Mitgliedsnummer 9563639, und war bei Hitlers Krieg gegen Polen und die Sowjetunion dabei. Das belegen Unterlagen, die dem stern vorliegen. Im Herbst 1943 wurde er durch einen Streifschuss am Kopf und Granatsplitter im Oberarm verwundet. Nach einem Lehrgang auf der “SS- und Waffen-Junkerschule Braunschweig” im Jahr 1944 wurde dem 20-jährigen Klaus Trittin im Abgangszeugnis bescheinigt, er wirke “in seiner Haltung und in seinem Benehmen noch etwas unsoldatisch”. Gleichzeitig hieß es: “Seine weltanschauliche Haltung ist gefestigt.” Später wurde er zum SS-Obersturmführer befördert. Er kämpfte bis zum letzten Tag des Krieges. Im letzten Wehrmachtsbericht vom 9. Mai 1945 heißt es: “In Ostpreußen haben deutsche Divisionen noch gestern die Weichselmündung und den Westteil der Frischen Nehrung tapfer verteidigt.” Zu diesen Verteidigern gehörte auch die Kampfgruppe Trittin.
Besuch in Bergen-Belsen
Klaus Trittin geriet in sowjetische Kriegsgefangenschaft und wurde erst 1950 freigelassen. Die eigene Nazi-Vergangenheit ließ ihn nicht mehr los. Er redete, anders als andere Männer seiner Generation, offen über seine Vergangenheit, auch gegenüber seinen Kindern. Als Jürgen Trittin 15 Jahre alt war, schleppte der Vater seine beiden Söhne ins ehemalige KZ Bergen-Belsen und sagte zu ihnen: “Guckt euch das an, das haben wir verbrochen. So etwas dürft ihr nie wieder zulassen.”
Diesen Auftrag nahm Jürgen Trittin so ernst, dass er später, selbst als Minister, immer etwas zwanghaft die Nazikeule schwang. Er beschimpfte CDU-Generalsekretär Laurenz Meyer als “Skinhead” und demonstrierte gegen öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr, weil er sie in der Tradition der Wehrmacht sah. Aber das ist jetzt auch schon ein paar Jahre her. Heute lobt er die Soldaten im Auslandseinsatz.
Jürgen Trittins Vater starb 1998. Er hatte viele Jahre als Prokurist in der Bremer Tauwerk-Fabrik gearbeitet.